Berufsperspektiven
Für Volljurist:innen (eine Person, die das Erste und Zweite Staatsexamen abgelegt hat) gibt es eine Vielzahl an Berufen. Neben den klassischen Berufen Richter:in, Staatsanwält:in und Rechtsanwält:in, kommen Tätigkeiten als Notar:in, Tätigkeiten in Unternehmen, der Verwaltung oder im Ausland in Betracht. Im Folgenden werden mögliche Berufe und deren Hauptaufgaben erklärt. Die Aufzählung ist nicht abschließend.
Um herauszufinden, welche Tätigkeit dir Spaß macht, kannst du Praktika in verschiedenen Bereichen absolvieren, mit Jurist:innen in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen sprechen, Online-Ressourcen nutzen, um mehr über verschiedene Rechtsgebiete zu erfahren und dich über berufliche Möglichkeiten informieren, die deinen Interessen und Fähigkeiten entsprechen. Insbesondere empfiehlt sich der Podcast „Irgendwas mit Recht“, in dem regelmäßig Personen, die das erste Staatsexamen absolviert haben, über ihre vielseitigen und besonderen beruflichen Laufbahnen sprechen.
Richter:innen sind für die Rechtsprechung zuständig. Sie leiten Gerichtsverhandlungen, interpretieren Gesetze und fällen Urteile. Richter:innen gibt es für alle Rechtsbereiche und die sind entweder an einem Zivil- oder Strafgericht, einem Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial oder Finanzgericht tätig. Je nach Schwere des Falls entscheiden Richter:innen allein oder zusammen mit anderen Richter:innen. An die Einstellung als Richter:in werden in der Regel hohe Anforderungen gestellt.
Staatsanwält:innen vertreten die öffentliche Anklage in Strafprozessen. Sie leiten die strafrechtlichen Ermittlungen, die zur Aufklärung von Straftaten dienen, entscheiden über Anklagen und vollstrecken Urteile. An die Einstellung als Staatsanwält:in werden in der Regel hohe Anforderungen gestellt.
Im Strafrecht arbeiten Rechtsanwält:innen typischerweise entweder als Strafverteidiger des Beschuldigten oder als Verteidiger der Rechte des Opfers neben der Staatsanwaltschaft (sogenannte Nebenklage). Ein/e Strafverteidiger:in vertritt die Interessen von Beschuldigten vor Gericht, sorgt für eine faire Behandlung und kämpft für die Rechte des Beschuldigten. Als Rechtsvertreter:in der Nebenklage unterstützt ein/e Rechtsanwält:in im Namen des Opfers die Staatsanwaltschaft und verfolgt eigenständig die Interessen des Opfers und sichert ihre/seine Rechte während des Strafverfahrens.
In einer Rechtsanwaltskanzlei berät ein/eine Rechtsanwält:in Mandanten in verschiedenen Rechtsfragen, verfasst Rechtsgutachten, führt Verhandlungen mit Rechtsvertretern der Gegenseite und vertritt Mandanten vor Gericht. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht für Rechtsanwält:innen die Möglichkeit einen Fachanwaltstitel zu erlangen. Aktuell gibt es Fachanwaltstitel in den folgenden 24 Rechtsgebieten:
Verwaltungsrecht
Steuerrecht
Arbeitsrechts
Sozialrecht
Familienrecht
Strafrecht
Insolvenz- und Sanierungsrecht
Versicherungsrecht
Medizinrecht
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Verkehrsrecht
Bau- und Architektenrecht
Erbrecht
Transport- und Speditionsrecht
Gewerblicher Rechtsschutz
Handels- und Gesellschaftsrecht
Urheber- und Medienrecht
Informationstechnologierecht
Bank- und Kapitalmarktrecht
Agrarrecht
Internationales Wirtschaftsrecht
Vergaberecht
Migrationsrecht
Sportrecht
Als interne:r Rechtsberater:in eines Unternehmens (Syndikus Anwält:in oder In-House Jurist:in) berät ein:e Rechtsanwält:in das Management oder bestimmte Abteilungen in rechtlichen Angelegenheiten, unterstützt bei Vertragsverhandlungen, überwacht die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und vertritt das Unternehmen vor Gericht. In der Regel arbeitet der/die Rechtsanwält:in in der Rechtsabteilung des Unternehmens. Dabei sind meistens folgende Rechtsgebiete relevant: Handels- und Gesellschaftsrecht, Vertragsrecht, Arbeitsrecht, Compliance, Datenschutzrecht, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Recht am geistigen Eigentum (Intellectual Property, IP), Bank- und Kapitalmarktrecht, Produkt- und Verbraucherschutzrecht, Umweltrecht und Steuerrecht. Unternehmen in der Industrie kommen hierbei genauso in Betracht wie Unternehmensberatungen.
Ein:e Notar:in übernimmt wichtige Aufgaben in der vorsorgenden Rechtspflege und trägt dazu bei, Streitigkeiten zu vermeiden und Rechtssicherheit zu schaffen. Als Träger eines öffentlichen Amtes beurkundet sie/er Rechtsgeschäfte wie Immobilienkäufe, Eheverträge oder Testamente und klärt die Beteiligten neutral und unparteiisch über deren rechtliche Folgen auf. Notarielle Urkunden haben dabei eine besondere Beweiskraft und können oft direkt als Vollstreckungstitel genutzt werden, wodurch zeit- und kostenintensive Gerichtsverfahren entfallen. Mit ihrer/seiner präventiven Rechtskontrolle schützt die/der Notar:in insbesondere rechtlich unerfahrene Personen vor Nachteilen und sorgt dafür, dass alle Beteiligten gleich behandelt werden. So leistet sie/er einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit und zum Schutz privater und geschäftlicher Interessen.
Volljurist:innen die in der Verwaltung arbeiten, erklären und setzen Rechtsvorschriften um, bieten rechtliche Beratung an, erstellen Rechtsgutachten, bearbeiten rechtliche Streitigkeiten und vertreten die Behörde in gerichtlichen Verfahren. In Betracht kommen Tätigkeiten für Verwaltungen auf Bundesebene, Landesebene oder kommunaler Ebene, z.B. Tätigkeiten bei einer Gemeinde oder Stadt oder z.B. bei einem Ministerium oder Amt des Landes oder des Bundes. Hierzu zählen z.B. das Bundesministerium des Innern und für Heimat, das Bundesministerium der Finanzen, das Auswärtige Amt, das Bundeskriminalamt, die Bundeswehr, die Polizei und weitere Einrichtungen. Volljurist:innen im öffentlichen Dienst werden in der Regel nach dem Ablauf einer mehrjährigen Probezeit verbeamtet. Informationen zum „Gehalt“, genannt Besoldung, von Volljurist:innen in der Verwaltung findest du hier.
Es gibt mehrere Möglichkeiten als Jurist:innen oder Volljurist:in im Ausland zu arbeiten. Fremdsprachenkenntnisse, vor allem in Englisch, sowie einschlägige rechtliche Spezialisierungen (z.B. im internationalen Handels- und Gesellschaftsrecht, Wettbewerbsrecht, Europarecht oder Völkerrecht) sind hierbei von Vorteil.
Internationale Organisationen
Möglich sind Tätigkeiten bei internationalen Organisationen wie EU-Behörden (z.B. das Europäische Parlament oder die Europäische Kommission), den Vereinten Nationen oder anderen Organisationen wie der OECD oder der Weltbank. Die Tätigkeiten umfassen unter anderem die Mitarbeit an der Entwicklung und Umsetzung internationaler Rechtsnormen und internationaler Politik und die rechtliche Vertretung der Anliegen der internationalen Organisation vor nationalen und internationalen Gerichten.
NGOs (Nichtregierungsorganisationen)
Sonstige international tätige Organisationen, z.B. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, bieten ebenfalls die Möglichkeit im Ausland zu arbeiten.
Internationale Kanzleien
Viele große Wirtschaftskanzleien haben Standorte in anderen Ländern. Für die Mitarbeit an internationalen Mandaten werden regelmäßig Volljurist:innen aus Deutschland gesucht.
Unternehmen mit Standorten im Ausland
Deutsche Unternehmen mit Standorten im Ausland bieten möglicherweise die Möglichkeit, an einem dieser ausländischen Standorte zu arbeiten. In der Regel beginnt man jedoch an einem der deutschen Standorte und wird später ins Ausland versetzt.
Diplomatischer Dienst
Für das Auswärtige Amt sind Tätigkeiten im höheren Auswärtigen Dienst im Ausland möglich. Du könntest z.B. in einer Botschaft, einem Generalkonsulat oder temporär im Krisenmanagement arbeiten. Die Bereitschaft regelmäßig umzuziehen ist für diese Tätigkeit wichtig, da das Auswärtige Amt seine Beamt:innen regulär alle 3 bis 4 Jahre versetzt („weltweite Rotation“).